Renovierungskosten (Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 80/07)

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Das Berufungsverfahren betrifft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Streitig ist, ob und inwieweit die Beklagte verpflichtet ist, gesonderte Leistungen au-ßerhalb der Regelleistung für Schönheitsreparaturen an der Wohnung der Kläger zu erbringen.

Der 57-jährige Kläger zu 1 und die 53-jährige Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet. Ihr Gesundheitszustand lässt es zu, dass beide unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Sie bewohnen gemeinsam seit August 1995 in A. eine Mietwohnung (Sozialwohnung) mit einer Wohnfläche von 96,85 qm (3 Zimmer, Küche, Bad). Die Kosten für Miete, Neben-kosten und Heizung betragen monatlich 624,47 Euro. Nach § 7 des Mietvertrages vom 21.06.1995 zwischen den Klägern und deren Vermieterin, der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt A. GmbH (im Folgenden: WBG), hat der Mieter die Schönheitsreparaturen an den Mieträumen nach Maßgabe der "Allgemeinen Vertragsbestimmungen" auszuführen. Die "Allgemeinen Vertragsbestimmungen" widmen sich in Nr. 4 Abs. 2 den Schönheitsreparaturen; geregelt werden insbesondere deren Häufigkeit und Qualität.

Die Kläger beantragten bei der Beklagten mit Schreiben vom 13.02.2006 Leistungen zur Durchführung von Schönheitsreparaturen. Nachdem sie die mietvertraglichen Vereinbarungen zu Schönheitsreparaturen vorgelegt hatten, gewährte die Beklagte ihnen mit Bescheid vom 11.05.2006 hierfür eine Leistung von 120,- Euro. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 07.06.2006 Widerspruch ein. Sie machten in diesem Zusammenhang geltend, es müssten allergiefreie Farben verwendet werden. Zudem fielen für die Renovierung des Parketts insgesamt 1.700.- Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an; darin seien enthalten Schleifen, Versiegeln sowie eine Hotelunterbringung für sieben Tage während der Arbeiten am Parkett. Letzteres sei notwendig, weil der Kläger zu 1 wegen seiner Allergie nicht in der Wohnung bleiben könne; er vertrage keine Lacke. Mit dem Widerspruch legten die Kläger ein Angebot der Malerfirma M. H. vom 24.05.2006 für Malerarbeiten zu einem Gesamtpreis von fast 2.600,- Euro vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2006 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als sie insgesamt 160,- Euro gewährte; dies wurde durch Änderungsbescheid vom 07.08.2006 umgesetzt. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Turnusmäßig anfallende Schönheitsreparaturen, so die Beklagte zur Begründung, gehörten zwar zu den Kosten der Unterkunft. Dazu zählten das Streichen von Wänden und Decken sowie das Entfernen von Tapeten oder das Ausbessern beschädigter Stellen an den Wänden. Jedoch dürfe dem Hilfebedürftigen zugemutet werden, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Daher könnten die Kläger darauf verwiesen werden, die Schönheitsreparaturen in Eigenarbeit auszuführen. Somit seien von ihr, der Beklagten, nur die Kosten für Farbe etc. zu übernehmen.

Beim Sozialgericht Augsburg Klage erhoben haben die Kläger mit Schriftsatz vom 14.08.2006. Auf Anfrage teilte die WBG dem Sozialgericht schriftlich mit, sie habe die Kläger nicht dazu aufgefordert, einen Betrag in Höhe von 2.598,40 Euro für die Durchführung von Schönheitsreparaturen zu bezahlen. Üblicherweise mache sie, die WBG, fällige Schönheitsreparaturen erst im Zusammenhang mit der Beendigung des Mietverhältnisses geltend. Während eines laufenden Mietverhältnisses, wie im Fall der Kläger, würden Schönheitsreparaturen nur ausnahmsweise verlangt. Mit Urteil vom 06.02.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat dies damit begründet, die WBG würde während der laufenden Mietzeit nur ausnahmsweise Schönheitsreparaturen einfordern. Ein entsprechender Bedarf sei daher erst im Zeitpunkt des Auszugs anzuerkennen.

Mit Schriftsatz vom 21.02.2007 haben die Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor, die streitigen Schön-heitsreparaturen seien als Kosten der Unterkunft zu behandeln. Sie, die Kläger, würden der WBG laut Mietvertrag die Schönheitsreparaturen schulden. Eine pauschale Leistungsgewährung sei unzulässig. Dass die WBG Schönheitsreparaturen erst beim Auszug verlange, spiele keine Rolle. Denn die Kläger hätten ihrerseits einen Rechtsanspruch auf turnusmäßige Renovierungen. Für die Abwohnung müsste nicht die WBG aufkommen. Die Kosten für die Schönheitsreparaturen müssten nicht aus der Regelleistung gedeckt werden. Eine fachgerechte Renovierung sei den Klägern mangels Fachkenntnis nicht möglich. Der Kläger zu 1 sei dazu zudem gesundheitlich nicht in der Lage. Die Klägerin zu 2 sei berufstätig; außerdem sei ihre Heranziehung zu Renovierungsarbeiten aus familienrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Verwandte, Freunde oder Nachbarn, die helfen könnten, stünden nicht zur Verfügung.

Die Kläger beantragen, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 6. Februar 2007 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 11.05.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 07.08.2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2006 zu verurteilen, ihnen für die Durchführung von Renovierungsarbeiten weitere 2.438,40 Euro als Vorschuss zu zahlen, hilfsweise eine Deckungszusage gegenüber dem ausführenden Malerbetrieb zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Von einer gesonderten Begründung hat die Beklagte abgesehen.

Am 29.06.2007 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden; diese wurde wegen der Notwendigkeit weiterer Sachaufklärungen vertagt. Jedoch kamen die Parteien darin überein, dass die WBG zunächst die Wohnung besichtigen sollte.

Am 14.08.2007 wurde die Wohnung der Kläger von der WBG (mit einem Malermeister) besichtigt; auch zwei Personen der Beklagten nahmen daran teil. Die WBG hat der Beklagten mit Schreiben vom 23.08.2007 Folgendes mitgeteilt: Die Mieträume befänden sich in einem ordentlichen, gebrauchstauglichen Zustand. Es bestünden einzelne geringfügige Gebrauchsspuren, insbesondere - kleine Abplatzungen des Anstrichs im Bad - kleinerer Putzschaden in der Küche - mehrere kleine Farbrisse in den Heizkörpernischen - Farbveränderungen der Heizkörper - rosa Anstrich des Schlafzimmers durch den Mieter - kleinere Abplatzungen an den Türen und Türstöcken.

Diese Mängel, so die WBG weiter, lägen im Rahmen des normalen Wohngebrauchs und beeinträchtigten die Benutzbarkeit der Miet-räume nicht. Vermieterseitig würden derzeit keine Renovie-rungsarbeiten von den Mietern verlangt.

Die Kläger sind mit der Stellungnahme der WBG nicht einver-standen. Sie rügen, dass auch Vertreter der Beklagten an dem Ortstermin teilgenommen hätten. Der WBG werfen sie vor, sie hätte nur aus Gefälligkeit gegenüber der Beklagten eine Stel-lungnahme dieses Inhalts erstellt. Weiter machen sie geltend, die Schäden an ihrer Wohnung würden sie ausgrenzen und ein menschenwürdiges Dasein erheblich erschweren. Zum baulichen Zustand der Wohnung haben sie beantragt, ein Sachverständigen-gutachten einzuholen.

Beide Parteien haben sich mit Schriftsätzen vom 07.11.2007 (Kläger) und 12.11.2007 (Beklagte) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts und des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen. Sie lagen allesamt vor und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Streitig sind Geldleistungen von mehr als 500,- EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung hat aber keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist. Die Beklagte hat den Klägern zurecht die von ihnen beantragten Leistungen für Schönheitsreparaturen verweigert. Der Bescheid vom 11.05.2006 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 07.08.2006 sowie des Widerspruchsbescheids vom 09.08.2006 verletzt die Kläger nicht in ihren subjektiven Rechten.

Offen bleiben kann, ob und inwieweit die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt sind. Insbesondere verzichtet der Senat darauf festzustellen, welches Einkommen oder Vermögen die Kläger zur Verfügung haben. Denn die Beru-fung hat schon deswegen keinen Erfolg, weil die von den Klä-gern begehrte Leistung ihrer Art nach nicht im SGB II vorgesehen ist.

In Rechtsprechung und Literatur lässt sich ein weitgehender Konsens dahingehend feststellen, dass Schönheitsreparaturen grundsätzlich als - neben der Regelleistung gesondert zu erstattende - Kosten der Unterkunft anzusehen sind, wenn und soweit sie per Mietvertrag wirksam auf den Mieter überwälzt worden sind (vgl. BVerwGE 90, 160 (161); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.09.2006 - L 9 AS 409/06 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.12.2006 - L 19 B 616/06 AS ER; Berlit in: LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 RdNr. 20; ders., Wohnung und Hartz IV, NDV 2006, S. 5 (15); Adolph in: Linhart/Adolph, SGB II SGB XII AsylbLG, § 22 SGB II RdNr. 12 ; Steck/Kossens, Neuordnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe durch Hartz IV, 2005, RdNr. 202).

Der Senat schließt sich dieser Ansicht zwar an. Im vorliegenden Fall ist aber gerade nicht von einer mietvertraglichen Schuld der Kläger auszugehen. Denn die WBG hat nach der Wohnungsbesichtigung am 14.08.2007 auf Schönheitsreparaturen vor-erst verzichtet und damit eine entsprechende Schuld der Kläger entweder von vornherein verhindert oder aber nach ihrer Ent-stehung zum Erlöschen gebracht; der exakten zivilrechtlichen Einordnung der rechtlichen Wirkungen dieses Verzichts bedarf es nicht. Allein die Haltung eines Vermieters, während des laufenden Mietverhältnisses grundsätzlich keine Schönheitsreparaturen geltend zu machen, ändert zwar nichts an der prinzipiellen mietvertraglichen Verpflichtung des Mieters dazu. Denn vom rechtsgeschäftlichen "Verzicht" - nur dieser könnte geeignet sein, die Verpflichtung zu Schönheitsreparaturen zu verhindern oder zu beseitigen - ist ein faktischer Verzicht durch bloßes Nichtgeltendmachen zu trennen (Rieble in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 397 RdNr. 17; vgl. zum bloßen "Erfüllungsverzicht" auch RdNr. 21); dieser kann nur über eine Anspruchsbefristung oder über die Verwirkung zum Untergang des Anspruchs führen (Rieble, a.a.O., § 397 RdNr. 17 f.). Ein bloßes "Stillhalten" des Vermieters darf nicht als konkludenter Verzicht auf den Anspruch interpretiert werden (vgl. Rieble, a.a.O., § 397 RdNr. 101, 105). Jedoch geht die von der WBG getätigte Willensäußerung über ein bloßes Nichtgeltendmachen ihres Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen hinaus.

Damit konzentriert sich die Fallproblematik auf die Frage, ob auch solche Reparaturen zu den angemessenen Unterkunftskosten zählen können, die nicht mietvertraglich geschuldet sind, bzw. ob § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Sonderregelung nur für mietvertraglich geschuldete Aufwendungen trifft. Man tut sich schwer, allein anhand des Wortlauts von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine eindeutige Lösung zu finden. Denn gemessen daran könnte die von den Klägern beabsichtigte Renovierung durchaus unter "Kosten der Unterkunft" subsumiert werden. Dagegen könnte zwar sprechen, dass § 23 Abs. 3 SGB II eine Sonderregelung für Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten trifft; man könnte geneigt sein, daraus abzuleiten, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasse nur die laufenden Unterkunftskosten. Aber ein solcher Schluss wäre nicht zwingend.

Das Begehren der Kläger scheitert auch nicht am Wesen der Überwälzung von Schönheitsreparaturen: Schönheitsreparaturen rechnen grundsätzlich zur Instandhaltung der Wohnung, was nach BGB-Mietrecht Pflicht des Vermieters ist (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 536 BGB trägt der Vermieter den gesamten Erhaltungsaufwand einschließlich der Schönheitsreparaturen (BGHZ 105, 71 (79)). Nur soweit die Schönheitsreparaturen also wirksam auf den Mieter überwälzt sind, kann sich überhaupt die Frage nach einer Leistung als Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II stellen. Falsch wäre, angesichts dessen zu argumentieren, wegen des "Verzichts" der WBG könne nur sie selbst verpflichtet sein, die von den Klägern begehrten Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, was wiederum einen Leistungsanspruch der Kläger ausschlösse. Denn der Verzicht der WBG auf Schönheitsreparaturen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist ersichtlich mit dem Aussagegehalt erklärt worden, solche seien momentan überhaupt nicht notwendig. Dagegen hat die WBG nicht die vertragliche Überwälzung generell rückgängig gemacht und sich auch nicht verpflichtet, eventuell erforderliche Sanierungen anstelle der Kläger zu übernehmen.

Doch auch wenn die hier streitigen Renovierungskosten der Art nach von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfasst würden, könnte die Berufung keinen Erfolg haben: Denn geleistet werden nur die angemessenen Unterkunftskosten. Im vorliegenden Fall ist die Angemessenheit einer Renovierung in dem von den Klägern rekla-mierten Umfang nicht gegeben. Denn die WBG hat nur geringfügige Gebrauchsspuren festgestellt; auf ihre Stellungnahme vom 23.08.2007 wird diesbezüglich Bezug genommen. Die Benutzbarkeit der Mieträume ist nicht beeinträchtigt. Bei nur einzelnen geringfügigen Gebrauchsspuren, wie hier festgestellt, erscheint eine Generalrenovierung, wie sie beantragt worden ist, nicht opportun. Einzelne punktuelle Ausbesserungen müssen aus der Regelleistung bestritten werden (so auch LSG Niedersachen-Bremen, Beschlüsse vom 11.09.06 - L 9 AS 409/06 ER - und vom 10.01.2007 - L 13 AS 16/06 ER).

Weiterer Ermittlungen zum Zustand der Wohnung der Kläger bedarf es nicht. Der Senat hat sich das insoweit erforderliche Maß an Überzeugung aus der Stellungnahme der WBG vom 23.08.2007 verschaffen können. Entgegen der Ansicht der Kläger sind die Äußerungen der WBG glaubhaft und überzeugend. Der Vorwurf eines kollusiven Zusammenwirkens der WBG mit der Beklagten erscheint außerordentlich weit hergeholt. Mit der Verfahrenseinführung und Verwertung der Stellungnahme der WBG ist dem Amtsermittlungsgrundsatz Genüge getan. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens erscheint überflüssig, weswegen dem dahin gehenden Beweisantrag der Kläger nicht entsprochen wird. Für die Behandlung von Beweisanträgen ist allein maßgebend, welche Ermittlungsmaßnahmen nach dem Amtsermittlungsgrundsatz geboten sind; ausschließlich dieser bildet den rechtlichen Maßstab. Eine entsprechende Anwendung insbesondere von § 244 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozessordnung kommt nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.