Schönheitsreparaturen (SG Hannover S 50 AS 340/06)

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

1. B.,
2. C.,
3. D.,
4. E.,

Kläger,

Prozessbevollmächtigte:
zu 1-4: Rechtsanwälte F.,

gegen

G.,

Beklagter

hat das Sozialgericht Hannover - 50. Kammer -
auf mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2006
durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht H.,
und die ehrenamtlichen Richter I.
für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 08.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 verurteilt, den Klägern Alg II-Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 445,15 Euro zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft durch Übernahme eines Zuschlages für Schönheitsreparaturen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 27.10.2004 beantragten die Kläger die Gewährung von Alg II-Leistungen. Zu den hier streitgegenständlichen Kosten der Unterkunft legten die Kläger einen Mietvertrag vor, in dem die monatliche Miete sich wie folgt aufgliederte: Einzelmiete - Euro 274,--; Schönheitsreparaturen - Instandsetzungszuschlag - Euro 39,16; Betriebskosten - Euro 55,22; Heizkosten - Euro 30,17; Wasser - Euro 51,13.

Von den Mietaufwendungen in Höhe von Euro 449,68 erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 08.12.2004 jedoch lediglich einen Betrag in Höhe von Euro 425,45 an.

Hiergegen legten die Kläger am 13.01.2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2006 mit der Begründung zurückwies, dass die von den Klägern zu zahlenden Nebenkosten einen Zuschlag für Schönheitsreparaturen in Höhe von Euro 39,16 enthielten, die für den Leistungsberechtigten als Bestandteil der Miete unausweichlich und daher als Unterkunftskosten zu berücksichtigen seien. Zur Vermeidung einer doppelten Bedarfsdeckung seien diese allerdings um die in den maßgeblichen Regelleistungen enthaltenen Anteilen für Instandhaltung und Reparatur einer Wohnung zu vermindern. Diese betrügen nach derzeitigem Stand für einen Alleinstehenden / Haushaltsvorstand - Euro 5,48; Mischregelsatz - Euro 4,94; Haushaltsangehörige ab 14 Jahre - Euro 4,39; Haushaltsangehörige bis 13 Jahre - Euro 3,28. Auf die Bedarfsgemeinschaft der Kläger ergebe sich demnach folgende Berechnung:

Miete einschließlich Nebenkosten - Euro 380,35 zuzüglich Schönheitsreparaturenzuschlag - Euro 39,16 abzüglich Eigenanteil in Höhe von Euro 19,70 (2 x Euro 4,93 + 3 x Euro 3,28) = anerkannte Miete in Höhe von Euro 399,81. Nach der von den Klägern vorgelegten Mietbescheinigung der GBH Bauen und Wohnen belaufe sich die monatliche Vorauszahlung für Heizkosten auf Euro 30,17. Hiervon seien 15 Prozent für die Erwärmung von Warmwasser abzusetzen (Euro 4,53), da die Warmwasserkosten bereits durch die Regelleistung abgegolten seien. Als angemessene Heizkosten seien hiernach Euro 26,64 monatlich zu berücksichtigen. Soweit die Kläger nach der vorgelegten Stadtwerkeabrechnung die Übernahme der monatlichen Stromkosten in Höhe von Euro 30,-- geltend machten, seien diese bereits in der Regelleistung enthalten. Anerkannte Kosten der Unterkunft zuzüglich der anerkannten Heizkosten ergäben sich für den Bewilligungszeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2005 wie folgt: anerkannte Miete - Euro 399,81 zuzüglich anerkannte Heizkosten - Euro 25,64 = Gesamtmiete - Euro 425,45.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 02.03.2006 bei dem Sozialgericht Hannover erhobenen Klage und verweist zur Begründung auf die Rechtsprechung der 47. Kammer des Sozialgerichts Hannover (Urteil vom 23.11.2005 - Az.: S 47 AS 47/05), woraus sich ergebe, dass der Zuschlag lediglich ein aus kalkulatorischen Gründen gesondert ausgewiesener Bestandteil der Kaltmiete sei. Nach § 535 Abs. 1, 2 BGB falle die Durchführung für Schönheitsreparaturen in den Verantwortungsbereich des Vermieters und nach dem Mietvertrag diese nicht auf sie - die Kläger - abgewälzt worden seien, so dass sie zur Durchführung nicht verpflichtet seien.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 zu verurteilen, den Klägern Alg II-Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von Euro 445,15 zu gewähren.

Die Vertreter der Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Gründe ihrer Bescheide. Ergänzend hierzu trägt die Beklagte im Wesentlichen vor, dass der Rechtsprechung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 21.11.2005 - Az.: L 8 SO 118/05 ER) nicht gefolgt werden könne. So spreche sowohl die historische Auslegung, der Wortlaut der Norm sowie die systematische Auslegung als auch der Sinn und Zweck der Regelung dafür, dass sämtliche Bedarfe des ehemaligen § 21 Abs. 1 a BSHG pauschaliert in die Regelleistung eingeflossen seien. Es gebe auch keinen sachlichen Grund, mit den Regelleistungen für Instandhaltung (auch Schönheitsreparaturen) grundsätzlich anders umzugehen, als mit den Aufwendungen für die Erwärmung von Wasser. Werden im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung Kosten erhoben, die bereits durch die Regelleistung abgegolten seien, seien diese nicht doppelt anzuerkennen. Es stelle sich die Frage, aus welchem Grund sonst der Heiz- und Warmwasserkostenabschlag um die Warmwasserkosten pauschal reduziert werden dürften. Wegen des weiteren, umfangreichen Vorbringens wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.04.2006 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 07.06.2006 waren.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 08.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Kläger haben Anspruch auf Gewährung von Alg II-Leistungen unter Berücksichtigung eines ungekürzten Zuschlages zu den Schönheitsreparaturen, mithin eines Betrages in Höhe von Euro 445,15.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Leistungen werden zusätzlich zu den Regelleistungen gewährt und sind durch diese nicht abgegolten. Die Norm regelt zusammenfassend Leistungen in Bezug auf die Unterkunft und erfasst dabei die laufenden und einmaligen Aufwendungen, die dem Hilfeempfänger für eine Unterkunft entstehen, in der Regel also die Miete nebst Betriebskosten, die jeweiligen Abrechnungsbeträge und die Aufwendungen für periodische Schönheitsreparaturen (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn. 1, 2, 18). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in seinem Beschluss vom 21.11.2005 (Az.: L 8 SO 118/05 ER) dargelegt, dass unter dem Begriff der Reparatur und Instandhaltungen sich Schönheitsreparaturen nicht fassen lassen. Instandhaltungen umfassen das Beheben kleiner Schäden an den Installationsgegenständen für Elektrizität, Wasser und Gas, den Heiz- und Kocheinrichtungen, den Fenster- und Türverschlüssen sowie den Verschlussvorrichtungen von Fensterläden. Letztlich sind die Kosten der Schönheitsreparaturen als Kosten der Unterkunft zu betrachten und in vollem Umfang zu übernehmen. Der Argumentation der Beklagten ist zuzugeben, dass der Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen für das Rechtsgebiet des SGB XII ergangen ist, mithin nicht für das hier streitgegenständliche SGB II. Auch ist die Argumentation der Beklagten für die Kammer insoweit nachvollziehbar, dass nicht nachzuvollziehen ist, dass von den Aufwendungen für Warmwasser im Rahmen der Kosten der Unterkunft ebenfalls ein Pauschalabzug vorzunehmen ist, um Doppelleistungen zu vermeiden, denn die Kosten für Warmwasserzubereitung sind völlig unstreitig im Regelsatz enthalten. Gleichwohl hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem weiteren Beschluss vom 25.04.2006 (Az.: L 8 AS 135/06 ER) seine Rechtsprechung auch für das SGB II übernommen und dabei auf die Begründung des Beschlusses vom 21.11.2005 (Az.: L 8 SO 118/05 ER) verwiesen. Die Kammer schließt sich daher der Rechtsauffassung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen an, wonach Schönheitsreparaturen bzw. der hierfür aufzuwendende Zuschlag grundsätzlich als Kosten der Unterkunft zu übernehmen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung wird zugelassen. Nach § 144 Abs. 1 Ziffer 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, Euro 500,-.

Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Az.: L 9 AS 77/06) ist dies auch bei einem Klagebegehren der Fall, wenn die Berufung keine wiederkehrenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Dieses negative Tatbestandsmerkmal ist vorliegend zwar ebenfalls erfüllt, denn der Klagegegenstand hat einen Leistungsumfang, der für den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 weit unter Euro 500,-- liegt. Dennoch hat die Kammer die Berufung zugelassen, damit der Beklagten die Möglichkeit gegeben wird, ihre Rechtsauffassung nochmals durch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen überprüfen zu lassen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass - worauf die Beklagte nachvollziehbar hingewiesen hat - in den bereits aufgeführten Beschlüssen des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen keine weitere Auseinandersetzung mit der (neuen) Argumentation der Beklagten erfolgt ist.