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Gitta Behrens, Jahrgang 59,
Diplom-Sozialpädagogin und seit 13 Jahren als Betreuerin tätig.
Arbeitserfahrung im Bereich Frauenhäuser, Kita-Leitung, Betreuung/Vermittlung
von Langzeitarbeitslosen und Drogenhilfe. Neben meinen berufsspezifischen Kenntnissen
habe ich durch Jobs vor und während des Studiums auch Erfahrung gesammelt in
diversen anderen Arbeitsbereichen, wie z.B. Gastronomie, Büro, Verkaufshilfe,
Haushaltshilfe, Labor, Post, Fabrik. Nachdem ich 2 Jahre als Betreuerin in
einem Betreuungsverein beschäftigt war, habe ich mich als Berufsbetreuerin
selbständig gemacht.
Vieles hat sich verändert,
seitdem ich mein Studium beendet habe. Das früher selbstverständliche
berufliche Interesse an Sozialpolitik ist immer mehr einem reinen
Geschäftsinteresse gewichen. Wo früher kontrovers diskutiert wurde und immer
wieder nach neuen Antworten auf soziale Probleme gesucht wurde, geht es jetzt
vorrangig um reibungslosen Auflauf und werbewirksame Außendarstellung. Hat dies
die erwarteten Verbesserungen gebracht? Ganz im Gegenteil, die Kosten im
sozialen Bereich explodieren und die soziale Verelendung nimmt weiter
beängstigend zu.
Durch diese soziale
Entwicklung sind immer weniger Menschen in der Lage, sich eigenständig um ihre
Angelegenheiten zu kümmern, was wiederum zunehmende Betreuungen zur Folge hat.
Die Betreuungsarbeit konfrontiert daher auch in vielen Fällen direkt mit den
Auswirkungen der zunehmenden Armut. Ich betreue fast ausschließlich Menschen,
die an der Armutsgrenze leben. Oftmals müssen diese Betreuten auch noch um das
Wenige kämpfen, das ihnen zusteht. Ein besonderes Anliegen ist es mir deshalb,
die Betreuten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zur unterstützen und, falls
erforderlich, Behördenwillkür zu verhindern. Hierbei sollten alle rechtlichen
Möglichkeiten ausgeschöpft werden, denn dem schleichenden Sozialabbau kann nur
entgegen getreten werden, wenn zumindest um die bestehenden Rechte gekämpft
wird.
Mir fällt immer wieder auf, wie wenig die Öffentlichkeit über den Beruf des Betreuers weiß und leider entstehen hierdurch oftmals Missverständnisse. Der alte Begriff des Vormunds ist, wie so viele andere Begriffe auch, der political correctness zum Opfer gefallen, obwohl nach wie vor auch restriktive Tätigkeiten den Alltag eines Betreuers bestimmen. Unverändert bilden administrative und organisatorische Arbeiten einen großen Teil der Aufgaben eines Betreuers aber die konkrete Versorgung und Pflege vor Ort wird von ihm an andere Institutionen delegiert. Nur wenn dieser Umstand nicht verschleiert wird, werden keine falschen Erwartungen geweckt und nur dann ist eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinne der Betreuten möglich.
Entscheidend geprägt wurde meine Einstellung zu meiner Arbeit als Betreuerin durch meine zweijährige Tätigkeit als Vereinsbetreuerin in einem Betreuungsverein. Nachdem besagter Verein sieben Jahre lang tätig war, wurde die öffentliche Finanzierung durch die zuständige Behörde eingestellt. „Nicht sachgerechte Verwendung der finanziellen Mittel“ lautete die offizielle Begründung, was allerdings nur eine Zusammenfassung darstellte von vielen Vorfällen, die in Bezug auf ihre Seriosität mehr als grenzwertig waren. In vielen Fällen wurden Entscheidungen nicht auf das Wohl der Betreuten ausgerichtet, sondern primär auf den finanziellen Vorteil für den Verein. Bei mir hat dies zur der nachhaltigen Überzeugung geführt, dass alles getan werden muss, damit sich so etwas nicht wiederholt und Strukturen erforderlich sind, die die Betreuten vor Übervorteilung schützen. Wenn das Betreuungsgesetz wirklich die Jahrhundertreform sein soll – als die es ja bezeichnet wird – dann darf nicht jede Kritik an der Betreuungspraxis sofort als ungerechtfertigt oder selbstgefällig disqualifiziert werden, sondern es muss eine selbstkritische Auseinandersetzung stattfinden.