Mehrbedarf wegen kostenaufwendigere Ernährung (LSG NRW L 20 B 109/06 AS)

Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitssuchende
Entscheidung Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.03.2006 abgeändert und dem Kläger für das Klageverfahren ab dem 17.11.2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin N bewilligt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.

Der 1968 geborene Kläger ist schwerbehindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 (bis zum 14.02.2005 von 80). Der Kläger leidet u. a. an Diabetes mellitus Typ IIa, der mit oralen Antidiabetika behandelt wird (Bescheinigung des Dr. W aus I vom 29.11.2004).

Seit dem 01.01.2005 bezieht der Kläger Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23.12.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlages für Ernährung gemäß § 23 Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ab. Mit Schreiben vom 06.06.2005 beantragte der Kläger, nunmehr rechtsanwaltlich vertreten, die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der Widerspruchsfrist. Der Bescheid vom 23.12.2004 sei beim Betreuer des Klägers erstmals am 23.05.2005 eingegangen. Dem Widerspruch sei abzuhelfen, da der Kläger unter Diabetes leide. Nachdem er mit Tabletten mangels Verträglichkeit nicht hätte eingestellt werden können, sei er dringend auf entsprechend abgestimmte Ernährung in Form von Diätkost angewiesen. Entgegen den Ausführungen im ablehnenden Bescheid fielen im Vergleich zur Kost für einen gesunden Menschen erhebliche Mehrkosten an. Sowohl diätetische Lebensmittel als auch Getränke lägen im Preis erheblich über denen vergleichbarer "normaler" Kost.

Mit Schreiben vom 27.06.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der ablehnende Bescheid vom 23.12.2004 sei bisher nicht bekannt gegeben worden. Mangels Wirksamkeit könne er auch nicht angefochten werden. Der Widerspruch werde als (nochmaliger) Antrag auf Gewährung der begehrten Leistungen gewertet.

Mit Schreiben vom 02.07.2005 teilte die jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, ausweislich der Bestallungsurkunde - die Betreuung besteht zwischenzeitlich nicht mehr - bestehe kein Einwilligungsvorbehalt, so dass der Kläger sie habe wirksam beauftragen können. Mit Übersendung des Bescheides vom 23.12.2004 an den Betreuer sei dieser bekannt gegeben worden. Dies könne aber auch dahin stehen, da es dem Kläger um eine kurzfristige Entscheidung in der Sache selbst gehe.

Mit Bescheid vom 04.07.2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 14.12.2004 auf Gewährung eines Mehrbedarfszuschlages für Ernährung nunmehr gemäß § 21 Abs. 5 SGB II ab. Laut Gutachten des Fachbereichs Gesundheit der Stadt I seien die Voraussetzungen für einen nicht durch die Regelsätze bereits abgedeckten Bedarf bei den Erkrankungen des Klägers nicht gegeben. Nach den heutigen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Anforderungen weiche eine genügende Ernährung für normalgewichtige Diabetiker lediglich minimal in der Zusammensetzung der Nahrung von einer auch für Gesunde empfehlenswerten ausgewogenen Kost ab, so dass hierdurch keine wesentlichen Mehrkosten im Vergleich zu einer Normalernährung entstünden.

Mit Widerspruch vom 25.07.2005 trug der Kläger vor, er bedürfe einer wesentlich kostenaufwändigeren Ernährung als ein gesunder Leistungsempfänger.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Wegen einer weitgehenden Angleichung der Kost für Gesunde und Diabetiker im Zuge des Wandels zur "Fitness-Gesellschaft", in der fett- und kalorienreduzierte Nahrungsmittel nicht mehr nur speziell für Diabetiker angeboten würden, seien Mehrkosten, die nicht aus den Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 SGB II zu tragen wären, nicht nachvollziehbar.

Hiergegen hat der Kläger am 17.11.2005 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen eingelegt. Entgegen der Auffassung der Beklagten entstehe durch die Erkrankung "Diabetes mellitus Typ II a" durchaus ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Dies werde sich durch ein Sachverständigengutachten bestätigt finden. Im Übrigen werde angeregt, bei der den Kläger behandelnden Ärztin, Frau Q T in I, wegen der Mehrkosten nachzufragen. Aus der vom Deutschen Verein veröffentlichten Tabelle ergebe sich im Übrigen für die Erkrankung "Diabetes mellitus Typ IIa" ein Kostenmehraufwand von 55,06 Euro bezogen auf den Zeitpunkt 01.07.2004.

Die Beklagte bezieht sich weiterhin auf das ärztliche Gutachten zum Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfszuschlags für Ernährung gemäß § 23 Abs. 4 BSHG vom 20.12.2004, erstellt durch den Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen Pinkal. In diesem Gutachten ist ausgeführt:

"Eine heutigen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Anforderungen genügende Ernährung für normalgewichtige Diabetiker weicht lediglich minimal in der Zusammensetzung der Nahrung von einer auch für Gesunde empfehlenswerten ausgewogenen Kost ab, so dass hierdurch keine wesentlichen Mehrkosten im Vergleich zu einer Normalernährung entstehen.

Soweit bei der Ernährung auf teure sog. "Diätprodukte" zurückgegriffen werden sollte, ließe dies eher auf Defizite in der heutzutage als unverzichtbar anzusehenden Diabetikerschulung schließen."

Mit Beschluss vom 21.03.2006 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung in entsprechender Anwendung des § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Mit seiner Beschwerde vom 19.04.2006 verweist der Kläger auf die maßgeblichen Veröffentlichungen des Deutschen Vereins aus dem Jahre 1997. Seitdem habe sich das Lebensmittelangebot nicht dergestalt verändert, dass keine Mehrkosten mehr für Diabetiker entstünden. Gerade dem Diabetes-Patienten werde eine ausgewogene und vollwertige Kost empfohlen. Unstreitig dürfte sein, dass frische Lebensmittel und auch Vollkornprodukte grundsätzlich teurer seien als z.B. Konserven oder "Nicht-"Vollkornprodukte. Zumindest sei der Mehrbedarf des Klägers wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs. 5 SGB V eine offene Beweisfrage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde liegen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 12.04.2006), ist begründet.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß den §§ 73 a SGG, 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) liegen vor. Die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage hat das Sozialgericht zu Unrecht verneint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder andere Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel die Erfolgsaussicht nicht verneint werden (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 8. Aufl., § 73a RdNr. 7a mwN).

Zur Überzeugung des Senats sind vorliegend weitere Ermittlungen dazu erforderlich, ob und in welchem Umfang der Kläger gemäß § 21 Abs. 5 SGB II aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. Die bisherige Praxis zum BSHG hat sich hinsichtlich der Kostformen und der diesbezüglich diagnostizierten Erkrankungen vor allem an den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (kurz: Deutscher Verein) für die Gewährung von Krankenkostzulagen" orientiert. Diese sind auf dem Stand 1997 und sehen für Diabetes mellitus Typ IIa für Diabeteskost Krankenkostzulagen in Höhe von 51,13 Euro vor (vgl. Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 21 Rdnr. 61 ff.). Zunehmend wurde insbesondere in der Rechtsprechung auf Begutachtungsleitfäden - u.a. des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe - zurückgegriffen. Der "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt: § 30 Abs. 5 SGB XII)" führt unter Verweis auf die "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe", zweite, völlig neu überarbeitete Auflage 1997, des Deutschen Vereins u. a. aus:

" ...bestimmte Vorschläge erscheinen nach neuestem Wissensstand nicht haltbar, besonders aber sind manche Erkenntnisse der in der Schrift enthaltenen medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Gutachten nicht folgerichtig umgesetzt.". Hinsichtlich der Ernährung bei Diabetes mellitus hätten sich die wissenschaftlichen Auffassungen bezüglich der bei dieser Erkrankung erforderlichen Diät in den letzten Jahren fundamental geändert. Führende Diabetologen weltweit seien übereinstimmend der Auffassung, dass eine ausgewogene Mischkost mit Eiweiß- und Fettanteilen von 20 bis 30 % und einem Kohlenhydratanteil von mindestens 50 % sowie die Einhaltung eines normalen Körpergewichts die besten Voraussetzungen böten, eine optimale Blutzuckereinstellung mit oder ohne Medikamente zu erreichen und vor allem Spätkomplikationen und Folgeerkrankungen des Diabetes mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermeiden. Die für den Diabetes mellitus wissenschaftlich empfohlene Diät entspreche der allgemein für eine gesunde Ernährung empfohlenen ausgewogenen Mischkost oder einer zur Gewichtsnormalisierung empfohlene Reduktionskost. Mehrkosten durch diese Ernährung entstünden nicht. Dies gelte auch für Diabetes mellitus mit Übergewicht.

Die "Ernährungsempfehlung für Diabetiker 2000" der European association for the study of diabetes (EASD) und der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), Ausschuss Ernährung (veröffentlicht unter www.awmf.de), führen u. a. aus: "Für die Empfehlung zum Verzehr spezieller Diabetiker-Produkte oder Diät-Produkte für Diabetiker findet sich keine Begründung. Fructose, Zuckeralkohol und andere energiehaltige Zuckeraustauschstoffe, die alle Kalorienlieferanten sind, haben gegenüber der Verwendung von üblichem Zucker (Saccharose) für Menschen mit Diabetes keine nennenswerte Vorteile außer einer verminderten Kariesbildung und sollten nicht empfohlen werden. Viele Lebensmittel, die derzeit als für Diabetiker geeignet deklariert werden, enthalten große Fett- und Energiemengen und sind häufig teurer als reguläre Produkte. Die ständige Werbung für die Produkte kann die Compliance zur Umsetzung der Ernährungsempfehlung für Diabetiker, wie sie die Diabetes- und nutritions study group der EASD bzw. der Ausschuss Ernährung der DDG herausgeben, eher behindern als fördern. Energiefreie Süßstoffe können in Getränken sinnvoll sein. Produkte, die für spezielle Zwecke (z.B. für die enterale Ernährung) entwickelt wurden, erfordern eine individuelle Bewertung.".

In einer Stellungnahme der DDG vom 14.12.2004 durch Prof. Dr. H. Laube und Prof. Dr. W. Kiess zum Thema "Mehraufwand für Diabetes-Kost" ist ausgeführt:

"Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang auf den "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwendiger Ernährung" (§ 23 Abs. 4 BSHG) des Arbeitsausschusses der Sozialdezernenten Westfalen-Lippe aus dem Jahre 2002 hinweisen, der, von Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen erstellt, ebenfalls Mehrkosten bei der Ernährung von Diabetikern mit und ohne Übergewicht, ausdrücklich verneint. Demgegenüber steht die Empfehlung des "Dt. Vereins für öffentliche und private Fürsorge" in Frankfurt/Main, der, zuletzt in einem Schreiben vom 12.07.2001, die Gewährung eines Mehrbedarfs für nicht übergewichtige Typ II-Diabetiker ausdrücklich befürwortet. Außerdem wird in diesem Zusammenhang gerne auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen hingewiesen, in dem, gestützt durch ein Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, die Ernährung von insulinpflichtigen Diabetikern mit höheren finanziellen Belastungen in Verbindung gebracht wird. Die Mehrkosten seien dabei besonders bei Einhaltung einer eiweißarmen und energiereduzierten Kost spürbar, da die speziellen Diätprodukte teurer seien (Ärztezeitung Januar 2001).

Die in Deutschland absurderweise noch immer geltende Diätverordnung (von 1988 und der Neuordnung über Zusatzstoffe vom 29.01.1998, Bundesgesetzblatt I, Seite 230) ist maßgeblich für die Verwirrung und die widersprüchlichen Stellungnahmen zum erhöhten Aufwand einer Diabetiker-Kost verantwortlich zu machen. Dort wird das Zuckerverbot und der kostenintensive Gebrauch von Zuckeraustauschstoffen (Diätprodukte) gesetzlich vorgeschrieben. Leider hat das zuständige Ministerium eine Anpassung dieser Diätverordnung an neuere wissenschaftliche Erkenntnisse und die Verordnungen anderer Staaten der in der EU (wie von Brüssel mehrfach gefordert) bisher nicht vollzogen. Eine erneute Initiative des Ausschusses Ernährung DDG ist dazu jetzt in Vorbereitung.

Auf der letzten Tagung des Ausschusses Ernährung DDG am 01.10.2004 in Frankfurt/Main wurde über diese Problematik erneut intensiv diskutiert. Die anwesenden Ausschussmitglieder waren dabei einstimmig der Meinung, dass, gestützt auf aktuelle, wissenschaftlich gesicherte und Evidenz-basierte Empfehlungen, Mehrkosten zur Ernährung von Typ I- und II-Diabetiker nicht entstehen.

Bei den im ärztlichen Gutachten zur Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) genannten Erkrankungen, für die die Gewährung eines Mehrbedarfs empfohlen wird, ist der Diabetes mellitus Typ I und II nach Auffassung des Ausschusses Ernährung DDG nicht betroffen. Dies beruht nicht zuletzt auf der von allen größeren nationalen und internationalen Diabetes-Fachgesellschaften akzeptierten Feststellung, dass es keine Nahrungsmittel gibt, die für die Ernährung von Diabetikern besonders vorteilhaft seien. Die Ernährung eines Patienten mit Diabetes kann daher mit den gleichen Nahrungsmitteln erfolgen wie bei Gesunden."

Unter Verweis auf diese Stellungnahme hat das Landesozialgericht Schleswig-Holstein (L 9 B 259/05 SO PKH) mit Beschluss vom 24.11.2005 die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. In seinem Beschluss hat es u.a. ausgeführt, die Ausführungen in der Stellungnahme der DDG fänden sich im "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom Januar 2002 sowie im "Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes deutscher Ernährungsmediziner e.V." bestätigt. Auch in Discountern würden im Übrigen für Diabetiker geeignete Nahrungsmittel angeboten, ohne dass ein finanzieller Mehraufwand entstünde. Beide Stellungnahmen wurden nicht nur beim Diabetes mellitus mit Übergewicht gelten, sondern auch bei Normalgewicht. Zwar stellten die Empfehlungen des Deutschen Vereins nach weit verbreiteter Auffassung antizipierte Sachverständigengutachten dar, die verlässliche Informationen zwecks einheitlicher Verwaltungshandhabung gäben. Von diesen könne aber abgewichen werden, wenn die dort zugrunde gelegten Annahmen durch neue Erkenntnisse erschüttert oder die dort festgelegten Mehrbeträge aufgrund der Preisentwicklung überholt seien. Spätestens mit dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom Januar 2002 lägen neue Erkenntnisse vor, die ein Abweichen von dem Empfehlungen des Deutschen Vereins rechtfertigten. Bereits der "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen" von 1999 habe dem schleswig-holsteinischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 20.01.2005 - 10 A 92/04) Veranlassung gegeben, die Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Beurteilung des krankheitsbedingten Kostenaufwandes bei der Erkrankung Diabetes mellitus nicht mehr zugrunde zu legen. Den "Empfehlungen" lägen Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1994 zugrunde. Auch sei zu berücksichtigen, dass anders als noch vor einigen Jahren etwa Vollwertkost nicht nur in Reformhäusern zu erhalten sei.

Nach alle dem spricht auch für den Senat zwar Vieles dafür, dass ein krankheitsbedingter Mehraufwand für unter Diabetes mellitus IIa leidende Leistungsempfänger nicht besteht. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins sind allerdings bisher nicht revidiert worden. Ausweislich der Stellungnahme der DDG hat sich der Deutsche Verein auch noch im Jahre 2001 dahingehend geäußert, dass er weiterhin an den Empfehlungen festhalte. Unabhängig von der ggf. klärungsbedürftigen Frage, ob man den Empfehlungen des Deutschen Vereines den Wert eines antizipierten Sachverständigengutachtens beimessen will, hält es der Senat nicht für ausgeschlossen, dass zwar ggf. keine spezielle Diabetikerkost erforderlich ist, aber aufgrund der ggf. erforderlichen besonders gesunden Ernährung ein Mehraufwand im Vergleich zur Ernährung gesunder Leistungsempfänger entsteht. Insoweit weist der Senat insbesondere darauf hin, dass in den Akten der Beklagten, aber auch in den Gerichtsakten keinerlei Angaben zum derzeitigen Stand der Erkrankung vorliegen. Es liegt nicht einmal eine aussagekräftige Bestätigung der den Kläger behandelnden Ärzte vor, dass dieser an einem Diabetes mellitus Typ IIa leidet. Auch erscheint nicht ausgeschlossen, dass hier besondere Wechselwirkungen mit weiteren Krankheiten zu berücksichtigen sind. Es bietet sich ggf. vorliegend neben der Möglichkeit, einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin anzufordern bzw. der Möglichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens auch eine abstrakt gehaltene Anfrage beim Deutschen Verein zur Aktualität der von ihm herausgegebenen Empfehlung an. Insoweit wird darauf hingewiesen, dass im Dezember 2005 "mit Blick auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse" auf eine anstehende Überarbeitung hingewiesen wurde. Der Senat sieht nach alledem hier zumindest weiteren Ermittlungsbedarf.

Kosten sind nicht zu erstatten, § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist, außer für die Staatskasse, unanfechtbar, § 177 SGG