GEZ-Befreiung bei ALG II (OVG Lüneburg 4 PA 101/07)

Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Recht abgelehnt. Die Klägerin kann die begehrte Prozesskostenhilfe nicht beanspruchen, weil ihre Klage auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

 

Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht sind in § 6 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) geregelt, von dessen Verfassungsmäßigkeit auszugehen ist (Senatsbeschl. v. 17.1.2007 - 4 PA 110/07 -). Die dort genannten Tatbestände sind nach der Systematik sowie Sinn und Zweck des Regelwerks abschließend (Senatsbeschl. v. 19.1.2007 - 4 LA 129/07 -, 17.1.2007 - PA 110/07 -, u. 9.10.2006 - 4 PA 152/06 -). Die Klägerin erfüllt indessen keinen dieser Tatbestände. Das gilt auch für den Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV. Zwar hat die Klägerin in dem hier relevanten Zeitraum von Oktober 2005 bis Februar 2006 Arbeitslosengeld II bezogen. Sie hat jedoch gleichzeitig einen Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von monatlich 5,-- Euro erhalten. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV nicht vor, da nach dieser Bestimmung nur Empfänger von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge nach § 24 SGB II von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden.

 

Die Beschränkung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auf Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge nach § 24 SGB II in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV begegnet auch im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG keinen rechtlichen Bedenken. Dass die Empfänger von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen nach § 24 SGB II von der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ausgenommen sind, ist darauf zurückzuführen, dass sie typischerweise höhere Leistungen als die Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge erhalten. Daher besteht ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Empfänger von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen und derjenigen ohne Zuschläge nach § 24 SGB II.

 

Der Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ist auch nicht deshalb rechtlich zu beanstanden, weil er die Bezieher von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen nach § 24 SGB II, die geringer als die zu zahlenden Rundfunkgebühren sind, nicht erfasst und diese dadurch wirtschaftlich schlechter als Empfänger von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge gestellt werden. Diese Ungleichbehandlung wäre zwar beseitigt, wenn § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV vorsähe, dass Zuschläge nach § 24 SGB II, die geringer als die zu zahlenden Rundfunkgebühren sind, unberücksichtigt bleiben. Würden die Bezieher von Arbeitslosengeld II mit derartig geringen Zuschlägen von der Rundfunkgebührenpflicht befreit, würden sie allerdings wiederum besser gestellt als die Empfänger von geringfügig höheren Zuschlägen; bei einem Zuschlag von 15,-- EUR beliefe sich der Vorteil gegenüber einem Bezieher von Arbeitslosengeld II mit einem Zuschlag von 20,-- EUR bei einer Rundfunkgebühr von 17,03 EUR auf 12,03 EUR. Folglich würde die Ungleichbehandlung bei einer Befreiung von Empfängern von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen, die geringer als die Rundfunkgebühren sind, lediglich auf eine andere Personengruppe verlagert, so dass im Ergebnis eine ungleiche Behandlung bestehen bliebe. Eine derartige Ungleichbehandlung ließe sich allenfalls durch eine nach der Höhe der Zuschläge gestaffelte Gebührenbefreiung mindern oder vermeiden, die angesichts des in diesen Massenverfahren außerordentlich hohen Verwaltungsaufwandes aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität aber rechtlich nicht gefordert werden kann. Lässt sich mithin eine Ungleichbehandlung nicht oder allenfalls durch einen außerordentlich hohen, verfassungsrechtlich nicht gebotenen Verwaltungsaufwand vermeiden, kann kein unzulässiger Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegen. Daher begegnet die Beschränkung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auf Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge nach § 24 SGB II in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken im Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Auch im Hinblick auf das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 20 GG verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum ist die o. g. Regelung nicht zu beanstanden, da die aktuellen Regelsatzleistungen nicht mit den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestleistungen gleichgesetzt werden können (s. hierzu BVerwG, Beschl. v. 29.9.1998 - 5 B 82.97 - NVwZ 1999, 669, zur Verfassungsmäßigkeit der Grundleistungen nach dem AsylblG ).

 

Die Klägerin kann auch nach § 6 Abs. 3 RGebStV keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht verlangen. Die Rundfunkanstalt kann nach dieser Bestimmung zwar in besonderen Härtefällen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien. Ein derartiger Härtefall liegt hier jedoch nicht vor.

 

Eine besondere Härte lässt sich nicht damit begründen, dass die monatlichen Rundfunkgebühren in dem hier entscheidungserheblichen Zeitraum 17,03 Euro betragen haben, die Klägerin aber lediglich einen Zuschlag in Höhe von monatlich 5,-- Euro erhalten hat. Die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV liefe nämlich darauf hinaus, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV zu umgehen, der ausdrücklich bestimmt, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II nur dann von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden, wenn sie keine Zuschläge nach § 24 SGB II erhalten. Eine Umgehung dieser Bestimmung läge nur dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber übersehen hätte, dass Zuschläge nach § 24 SGB II geringer als die monatlichen Rundfunkgebühren ausfallen können. Dafür bestehen jedoch keine genügenden Anhaltspunkte. Denn es ist offensichtlich, dass die Zuschläge, die nach § 24 Abs. 2 SGB II bemessen werden und sich nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SGB II nach Ablauf des ersten Jahres nach dem Ende des Bezugs des Arbeitslosengeldes um 50 v. H. vermindern, geringer als die monatlichen Rundfunkgebühren ausfallen können. Folglich ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Bezieher von Zuschlägen nach § 24 SGB II unabhängig von der Höhe der Zuschläge und damit auch Bezieher geringer Zuschläge bewusst von der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ausgenommen und wirtschaftliche Auswirkungen, die - wie im vorliegenden Fall - bei Geringfügigkeit der Zuschläge nach § 24 SGB II eintreten, "billigend" in Kauf genommen hat. Dann aber verbietet es sich, Bezieher von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen nach § 24 SGB II, die geringer als die monatlichen Rundfunkgebühren sind, nach § 6 Abs. 3 RGebStV wegen eines besonderen Härtefalls von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, weil dies eine unzulässige Umgehung der Entscheidung des Gesetzgebers bedeuten würde (ebenso VGH Bad.-Württ., Urt. v. 6.11.2006 - 2 S 1528/06 -).

 

Ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 3 RGebStV kann im Übrigen auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nach der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zum 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (LT-Drs. 15/1485) ein besonderer Härtefall insbesondere dann vorliegen soll, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann. Da Bezieher von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen nach § 24 SGB II typischerweise höhere Sozialleistungen als Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne derartige Zuschläge erhalten, besteht eine vergleichbare Bedürftigkeit nämlich nicht.

 

Nach alledem hält der Senat an der in seinem Beschluss vom 22. März 2006 (4 PA 38/06) noch vertretenen Auffassung, dass eine finanzielle Schlechterstellung von Empfängern von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen nach § 24 SGB II gegenüber Empfängern von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge die Annahme einer besonderen Härte im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV rechtfertigen dürfte, nicht länger fest.

 

Ein besonderer Härtefall im Sinne der o. g. Bestimmung lässt sich schließlich auch nicht mit dem Hinweis darauf begründen, die Klägerin müsse wegen einer chronischen Diabetes Zuzahlungen für Medikamente in Höhe von ca. 17,-- Euro monatlich leisten. Denn die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II, die nach § 19 Satz 1 SGB II Grundbestandteil des Arbeitslosengeldes II ist, umfasst auch Aufwendungen für Krankheit. Sollte ein atypischer unabweisbarer Mehrbedarf bestehen, können im Übrigen Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB II beantragt werden. Daher kann ein besonderer Härtefall im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV wegen der Zuzahlungen für Medikamente nicht angenommen werden.